Als Verantwortlicher für Arbeitsschutz ist Ihnen ja bekannt, dass Unternehmen einer Berufsgenossenschaft per Gesetz zugeordnet sind. Ihre Branchenzugehörigkeit entscheidet darüber, welcher Unfallversicherungsträger für Sie zuständig ist. So weit, nichts Neues. Aber wissen Sie auch, wann welche Regelung auf Sie zutrifft?

Aufbau des deutschen Arbeitsschutzsystems

Seit bereits über 150 Jahren gibt es in Deutschland das duale Arbeitsschutzsystem, bestehend aus dem staatlichen Arbeitsschutz und den selbstverwaltendenden Unfallversicherungsträgern (autonomer Arbeitsschutz). Ohne Zweifel hat dieses System erheblich zur Verbesserung der Sicherheit und Gesundheit von Beschäftigten beigetragen. Allerdings war dieser Dualismus in den letzten Jahren immer wieder heftiger Kritik ausgesetzt. Führte er doch zu einer sehr hohen Regelungsdichte, Doppelzuständigkeiten und damit Doppelarbeiten seitens der staatlichen Behörden und der Unfallversicherungsträger. Insbesondere für Unternehmer – die Anwender – ist das deutsche Arbeitsschutzrecht sehr komplex.

Wer regelt was im dualen Arbeitsschutzsystem?

Die staatlichen Behörden und die autonomen Unfallversicherungsträger erfüllen unterschiedliche Aufgaben:
  1. Die staatliche Arbeitschutzverwaltung nimmt die sogenannte „Erfüllungsverantwortung″ wahr. Diese begründet sich in der Schutzpflicht der Bürger, die sich aus den Verfassungsgrundsätzen definiert. Die Aufsicht über die Einhaltung von arbeitsschutzrechtlichen Gesetzen gehört somit zu einem wichtigen Aufgabengebiet des Staates und seiner Organe. Der Vollzug wird durch die Gewerbeaufsichtsämter oder Ämter für Arbeitsschutz durchgeführt.
  2. Gewerbliche und landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften sowie Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand (DGUV) sind die Träger des autonomen Arbeitsschutzsystems. Deren Aufgaben sind:
    • Ablösung der Haftpflicht von Unternehmen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten
    • Beratung und Schulung der Mitglieder
    • Forschung
    • Kontrolle der Unternehmen auf Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften

Die Systematik des Präventionsrechts für Arbeitsschutz und Umweltschutz wird in dieser Abbildung deutlich. Wichtiger Hinweis: Um die Bedeutung der rechtlichen und berufsgenossenschaftlichen Regelungen einschätzen zu können, hilft Ihnen die Übersicht der Autoren Cernavin und Schmidt.

Mit der Reform des deutschen Arbeitsschutzes wird es einfacher!

Die Umsetzung der EG-Richtlinien durch das Arbeitsschutzgesetz leitete ein neues Verständnis des deutschen Arbeitsschutzrechts ein: Das deutsche Arbeitsschutzverständnis, bis dahin geprägt von konkreten Detailvorgaben, wurde nach und nach ersetzt durch den Fokus auf mehr Eigenverantwortung des Arbeitgebers und der Definition von Schutzzielen.

Ende der 90er Jahre wurde der Prozess “Neuordnung des deutschen Arbeitsschutzes” mit der Zielsetzung eingeleitet:

  • mehr Übersichtlichkeit,
  • bessere Verständlichkeit,
  • Verzicht auf Mehrfachnennungen gleicher Sachverhalte,
  • Abbau überholter oder in sich nicht stimmiger Regelungen zu schaffen.
Folgende Grundsätze wurden dazu beschlossen:
  1. EG-Richtlinien zu Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit werden regelmäßig durch staatliches Recht umgesetzt. Eine andere Umsetzung, beispielsweise durch Unfallverhütungsvorschriften, erfolgt nicht, da dieses eine Wiederholung und somit eine unnötige Vermehrung der Vorschriften bedeuten würde.
  2. Neue Vorschriften werden nur bei Regelungsdefiziten erlassen.
  3. Im Vorschriften- und Regelwerk von Staat und Unfallversicherungsträgern werden Doppelregelungen zu gleichen Sachverhalten vermieden.
  4. Konkretisierende Vorschriften und Regeln müssen eindeutig erkennen lassen, welche Rechtsvorschriften angewandt werden.
  5. Der Grad der Konkretisierung muss einen ausreichenden Spielraum für Innovation und Flexibilität offen lassen.

Was bedeuten diese Änderungen für Sie?

Ausweitung des Arbeitsschutzbegriffes auf die Verhütung aller arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren
  • Einbeziehung der Arbeitnehmer
  • Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen, inklusive Dokumentation und regelmäßiger Überprüfung
  • Festlegung von Schutzmaßnahmen, ebenfalls mit Dokumentation und regelmäßiger Überprüfung
Mit dieser Reform ist die Gefährdungsbeurteilung das wichtigste Instrument im Arbeitsschutz geworden!